Transkrypcja
Mężczyzna: Anna, du bist eine ehemalige Waldorfschülerin. Viele Leute, die
Waldorfpädagogik nicht kennen, reagieren mit Vorurteilen oder mit Lachen,
wenn sie den Namen „Waldorfschule“ hören. Könntest du uns bitte erzählen,
wie du deine Schulzeit erlebt hast? Was machte dir am meisten Spaß und was
war nicht so gut?
Kobieta:
Du meinst bestimmt die Zeit in der Waldorfschule, aber ich war vorher noch
auf einer staatlichen Schule, auf der ich große Probleme hatte. Ich galt in den
ersten Jahren als Autistin und meine Lehrerin hielt es für besser, wenn ich auf
eine Waldorfschule ginge. Ich musste das machen, sonst wäre ich
sitzengeblieben. Dank der Waldorfschule blieb mir diese fürchterliche
Situation erspart.
Mężczyzna: Warum meinst du, dass die Waldorfschule besser für dich war als die staatliche
Schule?
Kobieta:
Weil ich keine Angst vor der Schule hatte. Ich ging gern in die Schule, denn
ich wusste, dass ich keine schlechten Noten bekomme. Ja! In der
Waldorfschule gibt es keine Noten. Neu für mich war das Lernen durch Praxis.
Handarbeit und Werken machten mir wenig Spaß, ich hatte damit Probleme.
Ich muss jedoch zugeben, dass ich durch diese praktischen Übungen viel
gelernt habe. Außerdem hatten wir die einzelnen Schulfächer nicht eins nach
dem anderen, d.h. morgens waren die ersten zwei Stunden gleich und sie
wechselten nach 3 Wochen. So konnte man sich super auf ein Thema
konzentrieren. Das fand ich besonders gut.
Mężczyzna: Was habt ihr im Unterricht genau gemacht?
Kobieta:
Wir hatten keine Bücher. Die Kinder erarbeiteten sich den Stoff selbst, mit dem
ganzen Körper. Satzzeichen wurden gesungen, Zahlen getanzt, Buchstaben
herumgetragen und in Schönschrift im Heft notiert.
Mężczyzna: Konntest du damals einen Unterschied zu Schülern in der staatlichen
Grundschule feststellen?
Kobieta:
Natürlich. In der staatlichen Schule sah ich als Schülerin vor allem viel
Leistungsdruck. Weitere Erfahrungen habe ich später gemacht, als ich als
Lehrerin an einer Grundschule arbeitete. Dort habe ich viele Unterschiede
festgestellt.
Mężczyzna: Was hat dich dort am meisten gestört?
Kobieta:
Vor allem fühlte ich mich dort fremd, weil es so viel Plastik, Bücher und
Filzstifte gab. Die Schüler lernten keine Gedichte auswendig. Im
Religionsunterricht sangen die Kinder mit Musik vom CD-Player, weil keiner
der Lehrer ein Instrument spielen konnte. Das war absolut seltsam für mich.
Gut fand ich die zahlreichen Tagesausflüge oder längere Klassenfahrten, die
während der Schulzeit gemacht wurden.
Mężczyzna: Und jetzt die letzte Frage: War deine Kindheit und Jugend durch den Besuch
einer Waldorfschule irgendwie leichter und schöner?
Kobieta:
Bestimmt. Durch viele Elemente der Waldorfpädagogik konnte mein Asperger-
Syndrom, therapiert werden. Ich bin nicht sitzen geblieben und für meine
Aufsätze bekam ich nicht regelmäßig eine „6“. Es war mir möglich, während
der Therapie das Verpasste nachzuholen. So konnte ich auch das Abitur
machen, was mir auf einer staatlichen Schule nie möglich gewesen wäre. Von
daher: ja, durch die Waldorfschule durfte ich mein ganzes Potential entfalten,
auch wenn es erst spät kam. Sie hat es mir ermöglicht, studieren zu können.
Und heute bin ich eine erfolgreiche Buchautorin. Mein Weg zu meinem Beruf
war mühsam und lang, aber es hat sich gelohnt.
Mężczyzna: Vielen Dank für das Gespräch.
nach http://sybillejohann.de